Ach, schon wieder ein Jahr rum, sagt man ja immer, wenn schon wieder ein Jahr rum ist. Wir wundern uns jedes Mal auf’s Neue darüber, dass die Zeit so schnell vergeht, obwohl wir doch mittlerweile alle WISSEN, dass die Zeit schnell vergeht.
Und was hatten wir nicht alles für Pläne? Oslo soll doch so schön sein und Game of Thrones hat man immer noch nicht und man wollte doch erst die Bücher und dann die Serie und der Nachbar hatte gefragt, ob man zusammen mal ein Bier trinken, und die Eltern ruft man noch immer so sporadisch an wie früher. Kind, melde dich doch mal.
Hatte man sich nicht vorgenommen: Das wird das Jahr meines Lebens? Also jetzt wirklich? Das mit dem Job sollte doch klappen und die Kündigung und die Wohnung mit dem Partner und überhaupt wollte man doch „einfach mal raus hier“.
Und dann hat sich wieder nur der Alltag eingeschoben und die Vorsätze flossen dahin. Dieses Leben, das eingebildete Ding, nimmt gar nicht so viel Rücksicht auf die eigenen Wünsche. Ob wir nun schon wieder beleidigt seien, hatte es noch gefragt, bevor es sich selbst zur Drama Queen aufplusterte, rücksichtslos und egoistisch. Es ist alles nur ein großes Missverständnis, möchte man noch rufen, es lässt sich doch alles klären! Doch da ist man längst mittendrin in diesem dicken Knäuel, und bei Missverständnissen kann das Leben eh nur spöttisch lachen. Man hatte sich doch alles ganz anders vorgestellt!
Aber vielleicht gab es zwischen all dem Doofen, Verstörenden, Dramatischen auch sowas wie ein Glück. Ein Glück, dass man den Regenschirm doch noch eingesteckt hat. Ein Glück, dass man den früheren Bus bekommen hat. Ein Glück, dass man es ausgesprochen hat. Ein Glück, dass man diesen einen Menschen kennenlernen konnte.
Und vielleicht ergeben diese kleinen Glücks ein großes Ganzes, etwas, das man am Anfang des Jahres noch gar nicht sehen, allerhöchstens erahnen konnte. Und auch wenn so viele Vorsätze, Pläne, Wünsche unerfüllt blieben – dieses große Ganze an Glücksmomenten ist doch entstanden, ganz von selbst, und nun steht es plötzlich vor einem, und wenn man ganz genau hinschaut, zwinkert es einem zu.
Das mit dem Durchbruch kann ja immer noch kommen, vielleicht im nächsten Jahr, also dann wirklich! Jetzt aber erstmal die Eltern anrufen. Ach, schon wieder ein Jahr rum.